Monat: Juli 2018

Von Zsuzsa Bánk | S. Fischer Verlag

Unter Bäumen lesen – oder im Lieblingscafé „Schlafen werden wir später“

Zwei Freundinnen seit Kindheitstagen, die ihr Leben in zwei unterschiedliche Ecken Deutschlands geführt hat. Im Schwarzwald lebt Johanna, in einem Hexenhäuschen schreibt sie an ihrer Doktorarbeit und arbeitet als Lehrerin. Samstags hilft sie im „Verzauberten Garten“ und bindet die schönsten naturnahen Sträuße. Ihr Leben ruhig, ihr Innenleben reich. Die beste Freundin Mártha lebt in Frankfurt. Schriftstellerin, hektisches Großstadtleben, drei Kinder und nie genug Zeit um zu schreiben. Mit ihrem Mann liefert sie sich erbitterte Kämpfe, wer wann arbeiten darf. Lesereise, Kinder mit Grippe, chronische Geldknappheit, der Alltag scheint sie schier zu zerreißen. Die Freundinnen seit Ewigkeiten schreiben sich jeden Tag eine E-Mail, auch wenn sie noch so müde sind, denn „schlafen werden sie später“. Selten habe ich einen so ehrlichen, poetischen, sensiblen, empathischen Briefwechsel zwischen zwei Menschen gelesen. Was nicht alles passiert in ihrer beiden Leben: Freundschaften und Kinderlachen, große Lieben und bittere Trennungen, Sommer in Ungarn und Herbst am Bodensee. Verzweiflung und Glück. Sie tauschen sich über alles aus: Familie, Männer, Musik und Bücher, immer wieder Bücher. Ab und zu möchte man ihnen zurufen: Entspannt Euch auch mal, irgendwie wird das Leben schon klappen. Aber gleichzeitig weiß man, dass das heute nicht so einfach geht, wenn man versucht, das ganze pralle Leben unter einen Hut zu kriegen. Die große Herausforderung in jeder Familie. Die Angst, den eigenen Ansprüchen, den Kindern, dem Leben nicht gerecht zu werden. Das schöne Buch ist damit auch ein Spiegel unserer Zeit, jeder wird sich darin wiederfinden. Ich beschließe sofort, morgen meiner besten Freundin eine lange ausführliche E-Mail zu schreiben. Ein Hoch auf die Freundschaft!

Von Alan Rusbridger | Secession Verlag

Unter Bäumen lesen – und dabei Chopin hören „Play It Again“


Ein Jahr zwischen Noten und Nachrichten
Träumst Du auch davon, etwas Neues anzufange, und denkst immer, Du hast keine Zeit? Oder hast Du Sehnsucht, Dein liebstes Kindheitshobby wieder aufzunehmen und meinst, dafür sei es eh schon zu spät? Dann höre Chopin und lies dieses Buch. Alan Rusbridger @arusbridger nimmt uns mit auf eine außergewöhnliche musikalische Reise. Einmal im Jahr trifft sich der damalige Guardian-Chefredakteur mit Gleichgesinnten in Südfrankreich zu einem Klavierkurs. Allein das ist ein Traum. Auf dem Abschlusskonzert hört er Chopins Ballade Nr.1 in g-Moll, op. 23, dieses sagenhaft schöne, sagenhaft schwer zu spielende Klavierstück: Es entführt einen in andere Welten. Kaum wieder zuhause setzt sich Rusbridger an das Werk, das ihn von vorn bis hinten überfordert. Takt für Takt, manchmal Note für Note tastet er sich voran. Zeit hat er natürlich – eigentlich- auch nicht. Murdoch-Abhörskandal, WikiLeaks, kein Tag ist Ruhe. Aber: Jeden Morgen steht er früher auf, als er sonst müsste, spielt 20 Minuten Klavier und stimmt sich so auf seinen Tag ein. Auch der musikalische Laie erahnt den Reichtum dieser mal zarten, mal aufwühlenden Ballade. Welche Tonart, welcher Fingersatz und immer wieder die unspielbare Coda. Bemerkenswert uneitel schreibt Rusbridger vom Scheitern und immer wieder Weitermachen, denn er hat sich ein großes Ziel gesetzt: Nach einem Jahr möchte er vor seinen Freunden die Chopin-Ballade spielen. Längst ist es soweit, dass wir, die Leser, gleich morgen unser Instrument aus Kindertagen wieder hervorholen möchten. Einmal Gitarre im Quartett spielen, das wär‘s.