Monat: September 2024

Demon Copperhead


Dieses Buch habe ich nicht mehr aus der Hand gelegt. Nachts musste ich mich zwingen, es zuzuklappen. Demon Copperhead wächst in Lee County, Virginia, auf, im Hillbilly Country, das in einem Nebel aus Drogen versinkt. Er lebt mit seiner Mutter in einem Trailer. Er weckt sie morgens, damit sie ihre Arbeit bei Wallmart nicht verschläft. Demon liebt sie und eines Tages ist sie nach einer Überdosis tot. Da ist er zehn und seine Odyssee beginnt. So viel Hunger, Schmerz und Einsamkeit kann man beim Lesen manchmal kaum zu ertragen. Aber die Sprache ist so sensationell gut, so packend und authentisch, dass man sich mit ihm auf die Reise macht. Von Pflegefamilie zu Pflegefamilie. Demon schuftet auf einer Farm und auf einer Müllhalde. Pflückt Tabak und entsorgt Säure aus Batterien. Und eines Tages reißt er aus, mit etwas Geld in einem Erdnussbutterglas. Ein moderner, amerikanischer David Copperfield, ein bisschen was vom Fänger im Roggen hat er auch: einen scharfen Blick auf die Welt der Erwachsenen, einen lakonischen Humor und vor allem ein großes, großes Herz. Trotz allem liebt er seine Heimat, die Natur, den blauen Schimmer über den Bergen. Für kurze Zeit ist er der Footballstar 🏈 an seiner Highschool. Er ist ein begnadeter Comic-Zeichner. Es gibt Menschen, die er mag, die sich um ihn sorgen. Für einen kurzen Moment hofft man, dass nun alles gut wird. Aber wie das so ist: zur falschen Zeit die falschen Leute, eine drogensüchtige Freundin und es folgt der freie Fall. Da hat man ihn schon längst so ins Herz geschlossen, dass man sich nichts sehnlicher wünscht, als dass er es doch irgendwie schaffen wird. Mein Buch zur US-Wahl, Einblicke in einen Teil dieses Landes, den man sonst nicht so im Blick hat. Es ist tough, aber auch ein Buch über Loyalität und Liebe. Copperhead träumt davon, dass er mal das Meer sehen wird 🌊. So habe ich gerade mal wieder entdeckt, dass es (fast) nichts Schöneres gibt, als zwischendurch in einem richtig dicken Buch zu versinken. Über 800 Seiten – und keine zu viel 📚. Geschrieben von @barbara.kingsolver, erschienen @dtv_verlag