Das Buch habe ich bis halb drei Uhr nachts in einem Rutsch durchgelesen. Das ist mir schon lange nicht mehr passiert. „Der gefrorene Himmel“ hat mir das Herz zerrissen ~ und wieder zusammengesetzt. Es legt den Finger in Kanadas tiefe Wunde. Saul wird als kleiner Junge seinen indigenen Eltern weggenommen und in eine resedential school gesteckt. Von katholischen Geistlichen mit Eiseskälte betrieben wurden die Kinder dort gebrochen. Sie sollten assimiliert werden, durften ihre Namen nicht behalten, ihre Sprache nicht sprechen. Wer sich wehrte, erlitt Schlimmes. So wie Saul ist es unzähligen Kindern indigener Herkunft ergangen. Saul vermisst die Natur, in der er vorher mit seiner Familie gelebt hat, die Legenden, die seine Großmutter ihm erzählt hat, die Seen und Wälder. Im Internat fügt er sich still. Seine Flucht ist das Eishockeyfeld. Er besitzt ein begnadetes Talent für diese kanadischste aller Sportarten. Wenn er über das Eis fliegt, die arktische Luft atmet, kann er den Rest der Welt vergessen. Aber diese Strategie funktioniert nur auf der Eisfläche. Selten habe ich so grandiose Naturbeschreibungen gelesen, die sofort große Sehnsucht nach Kanada wecken. Es ist aber auch ein Eishockeybuch, eine Sportart, über die ich nichts weiß, die mich nicht besonders interessiert: Hier habe ich jede Zeile verschlungen. Dieses Buch, das im Original Indian Horse heißt, ist völlig unpathetisch und dabei voller Poesie. Es ist rasant und lakonisch, still und verstörend und schließlich versöhnlich. Es ist große Literatur. Ich möchte jedes Buch des Autors Richard Wagamese lesen. Kanada ist dieses Jahr Ehrengast der Frankfurter Buchmesse.